Jahresrückblick 2015
Große Neubauvorhaben in besten Citylagen bestimmten 2015 die Arbeit der städtischen Bodendenkmalpflege im Römisch-Germanischen Museum.
Von der Wohnbebauung zur Glashütte
Anlässlich der Errichtung eines neuen Wohnquartiers zwischen Blaubach, Tel-Aviv-Straße und Mengelbergstraße unternahm das Römisch-Germanische Museum Rettungsgrabungen auf einem rund 4.400 Quadratmeter großen Areal. Das Baugrundstück liegt in der südlichen römischen Vorstadt. Am Westrand des Planungsgrundstücks befand sich seit 1885 das Hauptdepot der von einer Privatfirma geführten Kölner Pferdebahn. Das Depot wurde später als Betriebshof für die elektrische Straßenbahn und bis 1945 als Direktion der Städtischen Bahnen genutzt. Die archäologischen Ausgrabungen erfassten eine mindestens zweiphasige römische Wohnbebauung, deren langrechteckige Parzellen auf eine circa 10 m weiter nördlich verlaufende Ost-West-Straße ausgerichtet waren. Eine grundlegende Umnutzung ging mit dem Einbau eines Glas verarbeitenden Betriebes einher. Insgesamt konnten für vier Glasöfen, Schmelztiegel (Glashäfen) und Abfallprodukte der Glasverarbeitung nachgewiesen werden. Damit ergibt sich ein einzigartiger Einblick in die Werkstattorganisation einer römischen Glashütte, die seit der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts tätig gewesen ist.
Vom Töpferareal zur Schankwirtschaft
Zwischen Juni und November 2015 wurde auf einem Grundstück zwischen Kämmergasse, Agrippastraße und Neuköllner Straße eine Fläche von gut 800 qm archäologisch untersucht. Anlass war die Erweiterung des bestehenden Hauptsitzes der DEG-Bank. Die Ausgrabung im Herzen Kölns erbrachte Zeugnisse der Stadtgeschichte von der Römerzeit bis heute.
In der römischen Epoche wurde dort zunächst gewerbsmäßig Töpferware hergestellt. Zwei Öfen belegen die massenweise Herstellung von Geschirr am südwestlichen Rand des Oppidum Ubiorum. Anschließend, als Köln zu einer Kolonie erhoben worden war, ebnete man das Töpferreal ein und unternahm eine neue Parzellierung der Grundstücke. Die Gegend wurde fortan für Wohnbebauung vorgesehen, zu der zwei angetroffene Keller gehörten.
Im Mittelalter befand man sich auf dem Untersuchungsgebiet in den Hinterhöfen, wo die Menschen ihren Abfall in Latrinengruben entsorgten. Mehrere Gruben wurden ausgegraben. Sie enthielten Funde aus dem 13. bis 19. Jahrhundert. Die heutige Agrippastraße war damals ein enges und dunkles Gässchen, das auch einen solchen Namen trug, nämlich Schleichgässchen. Das änderte sich 1863, als man die Randbebauung abreißen ließ, die Straße verbreiterte und ihr anschließend den Namen eines berühmten Römers verlieh.
Die Ausgrabung endete mit dem Fund eines unversehrten Bierfasses, das noch im verschütteten Keller eines 1942/43 zerstörten Hauses stand. Die schrecklichen Bombardements vernichteten unter anderem eine Schankwirtschaft, welche die A.G. Schwabenbräu Düsseldorf im Jahr 1939 gekauft hatte und über einen Pächter betreiben ließ.
Kastell, Kirche, Ufertreppe
Einen vorläufigen Abschluss haben die Untersuchungen im rechtsrheinischen Deutz gefunden. Seit Herbst 2010 sind Archäologen des Römisch-Germanischen Museums im spätrömischen Brückenkopfkastell DIVITIA und anlässlich der Realisierung des Rheinboulevards aktiv. Die großzügige Freitreppenanlage des Rheinboulevards wurde bereits im Sommer 2015 der Öffentlichkeit übergeben. Im Bereich eines parallel verlaufenden Panoramawegs wurden derweil noch Ausgrabungen unternommen. Dabei kamen Abschnitte der rheinseitigen Kastellmauer und Reste des rheinseitigen des Kastelltores ans Tageslicht. Auch zur frühmittelalterlichen Geschichte der Civitas Divitia, wie Gregor von Tours den Ort Mitte des 6. Jahrhunderts nennt, wurden bemerkenswerte Ergebnisse gewonnen. Die jüngsten Ausgrabungen belegen, dass auch der Westen der Festung im Frühmittelalter besiedelt war. Die Wurzeln der Ortskirche Alt St. Urban, die dort bis 1862 stand, reichen wohl auch in diese Zeit zurück. Ihre äußerst bewegte Geschichte tritt im Rahmen der Untersuchungen wieder ans Tageslicht. Sie gilt als einer der ersten rechtsrheinischen Kirchbauten nach dem Ende der römischen Herrschaft. Im Hochmittelalter stand sie im Schatten von Alt St. Heribert, einem der bedeutendsten Klöster des Hohen Mittelalters. Sie geriet in der Folgezeit immer wieder zwischen die Fronten lokaler Mächte wie dem Kölner Erzbischof, dem bergischen Geschlecht und dem Bürgertum der Stadt Köln. Regelmäßig wurde St. Urban bei den Kampfhandlungen beschädigt oder gar zerstört. Auch auf europäischer Ebene – im Dreißigjährigen Krieg des 17. Jahrhunderts – stand die Kirche kurze Zeit auf der historischen Bühne.
Die ältesten Gräber des zugehörigen Kirchhofs lassen sich anhand von Grabsteinen mit Stangenkreuzen bis in die späte Merowinger- oder frühe Karolingerzeit zurückführen. Die jüngsten Gräber datieren in das 18. Jahrhundert. Mit mehr als 700 bestatteten Individuen handelt es sich um die umfangreichste Untersuchung in einem mittelalterlich-neuzeitlichen Friedhofes im gesamten Kölner Stadtgebiet. Die anthropologischen Untersuchungen, die bereits seit 2010 durchgeführt werden, versprechen wesentliche Informationen über Leben, Ernährung, Krankheiten und der sozialen Struktur im mittelalterlichen Deutz.
Ausgrabungen in der Innenstadt
Neben diesen großflächigen Untersuchungen kam es zu rund dreißig weiteren Maßnahmen ganz unterschiedlicher Größenordnung. In der Rheingasse 34-36 musste ein Hotelbau der 1960er Jahre einem modernen Mehrfamilienhaus weichen. Die historische Topografie versprach wichtige archäologische Befunde, gehörte doch das Grundstück spätestens seit dem 13. Jahrhundert zum Stammbesitz der bekannten Kaufmannsfamilie Hardevust, die für ihren märchenhaften Reichtum bekannt war. Vom mittelalterlichen Baubestand waren gleichwohl nur noch mächtige Fundamentmauern, ein hauseigener Abwasserkanal in Richtung Rheinufer und eine Latrine erhalten. Bemerkenswert war jedoch ein deutlich älterer Kleinfund: Eine aus zinnhaltiger Bronze gegossene Bügelfibel aus der Mitte des 5. Jahrhunderts ist der erste merowingerzeitliche Fund aus den Südosten der antiken Rheinstadt und einer der seltenen Belege aus der frühen Frankenzeit in Köln.
Festungsbauten
Die Festungsgeschichte Kölns im 19. Jahrhundert beschäftigt die Stadtarchäologie seit vielen Jahren. So auch 2015: Am Standort des Grundstücks Bonner Wall 118 wurde zwischen 1843 und 1847 Fort III errichtet, das zum älteren preußischen Festungsrings gehörte. Die Anlage, die 1860 einer 187köpfigen Truppe als ‚Friedensquartier’ diente, wurde noch nach dem Zweiten Weltkrieg als Gefängnis genutzt. Nach ihrem Abriss entstand über dem Kernbau des Forts, dem so genannten Reduit, ein wirtschaftlich genutzter Zweckbau mit eingeschossiger Unterkellerung.
Vor Beginn der Baumaßnahme war nicht bekannt, wie massiv der Nachkriegsbau die Grundmauern des preußischen Forts in Mitleidenschaft gezogen hatte. Sondagen, die nach dem Abriss des durchgeführt wurden, ergaben nun, dass die Grundmauern von Fort III wenige Dezimeter unter der Bodenplatte erhalten waren; außerhalb des Nachkriegsbaus standen die historischen Mauern sogar bis zur Unterkante des modernen Asphaltes an. Die bauseitige Planung hätte zu weiteren massiven Verlusten an der historischen Bausubstanz geführt. In enger Abstimmung zwischen Bauherren und Römisch-Germanischen Museum wurde im laufenden Bauverfahren ein neues Gründungskonzept entwickelt, das es ermöglichte große Teile des Reduits und davon ausgehende Minengänge dauerhaft unter dem Neubau zu erhalten. Die östliche Kehlkasematte wird, um wenige Meter in ihrer Position versetzt, zukünftig in die Tiefgarage des Neubaus integriert und so an die Geschichte des Grundstücks erinnern.
Siedlungsreste der Jungsteinzeit
Der Äußere Grüngürtel, den der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer zwischen 1923 und 1929 auf 800 Hektar über dem äußeren Festungsring als städtisches Naherholungsgebiet gestalten ließ, ist das flächenmäßig größte Denkmal im Kölner Stadtgebiet. Nahe Gleueler Straße / Militärring plant der 1. FC Köln derzeit eine Erweiterung des Rhein-Energie-Sportparks mit mehreren neuen Trainingsplätzen. In die Planungen ist auch die Kölner Bodendenkmalpflege einbezogen. Bekannt sind in diesem Bereich Siedlungsreste der Jungsteinzeit sowie römische Brand- und Körperbestattungen, die zu einer bislang nicht lokalisierten Villa rustica gehören dürften. Die Dokumentation dieser Maßnahmen ist jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört worden, eine genaue Lokalisierung daher bislang nicht möglich. Aus Luftbildaufnahmen bekannt ist eine Flakstellung des Zweiten Weltkriegs. Im Weichbild der Planungen liegen zudem mehrere Bauten des äußeren Festungsringes aus den Jahren 1873-1914.
Um konkretere Aussagen zur Lage und Ausdehnung der Bodendenkmäler zu erhalten, wurden daher im Dezember von der Firma Terrana Geophysik Magnetik-Untersuchungen im Auftrag des Römisch-Germanischen Museums unternommen. Bandkeramische Siedlungsbefunde konnten dabei nicht nachwiesen werden. Eine rechtwinklig abknickende Grabenstruktur könnte zu einem dort vermuteten römischen Gutshof gehören. Klar zu erkennen waren die Einbauten der ehemaligen Flakstellung. 2016 sollen die geophysikalischen Untersuchungen auf große Teile des Äußeren Grüngürtels ausgedehnt werden, um die Denkmalerfassung vorantreiben zu können.
Vorgeschichtlicher Festungsbau
In der Zusestraße, im Kölner Stadtteil Lövenich gelegen, sind aus einem Luftbildbefund seit langem eine kreisförmige Grabenanlage von rund 50 m Durchmesser sowie grabenförmige Anomalien bekannt. Da auf dem Grundstück ein Gewerbetrieb entstehen soll, hat das Römisch-Germanische Museum dort im November 2015 zwei bis zu 100 m lange Schürfen angelegt. Im Befund bestätigt wurde dabei der Kreisgraben. Unter Humus und kolluvialer Überdeckung war die hellbraun-lehmig-schluffige Grabenverfüllung im anstehenden C-Löss klar abzugrenzen. Die Grabenanlage war noch gut 2 m breit und etwas mehr als 1 m breit. Der Spitzgraben enthielt keine datierenden Funde. Aufgrund der Grabenverfüllung könnte es sich um eine jungneolithische (Michelsberg) oder metallzeitliche Anlage handeln. Die Bauplanungen sehen im Bereich des Grabenwerks keine tiefen Erdeingriffe vor, so dass eine dauerhafte Erhaltung des Bodendenkmals gesichert ist.